Große Wasserkraft-Neubauprojekte in Südosteuropa sind mit massiven Investitionsrisiken behaftet und haben niedrige Realisierungsraten, zeigt ein heute veröffentlichter Bericht von CEE Bankwatch, EuroNatur, Riverwatch und WWF Adria, der auch neun Fallbeispiele von Hochrisiko-Projekten beschreibt.
Während im letzten Jahrzehnt in der gesamten Region hunderte der für die Artenvielfalt zerstörerischen Kleinwasserkraftwerke errichtet wurden, blieben Anläufe für neue Wasserkraftwerke mit einer Kapazität von mehr als 10 MW weitgehend erfolglos, ausgenommen in Albanien und Slowenien.
Anfälligkeit für Austrocknungen, rechtliche Probleme, wachsender Widerstand der Öffentlichkeit und mangelnde Finanzierung sind einige der Faktoren, die zahlreiche Großwasserkraftprojekte in den letzten Jahren zu Fall brachten – darunter zwei Kraftwerke an der Vjosa in Albanien, zwei im Mavrovo-Nationalpark in Nordmazedonien sowie mehrere an den Flüssen Morača und Vrbas in Montenegro und Bosnien-Herzegowina.
Wasserkraft spielt neben Kohle traditionell eine wichtige Rolle in Südosteuropa, aber der Klimawandel stellt diese Formen der Energiegewinnung in Frage. Albanien hat seit 2010 etwa 600 Megawatt an Staudämmen und hunderte weitere Megawatt an Kleinkraftwerken errichtet, aber die durchschnittliche Energiegewinnung aus Wasserkraft nahm zwischen 2010 und 2020 kaum zu. In Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Montenegro, die nur Kleinwasserkraftwerke errichteten, nahm die jährliche Produktion sogar ein wenig ab.
Davon unbeirrt trachten die Regierungen und Energieversorgungsunternehmen der Region danach, noch mehr Großwasserkraftwerke zu bauen. Besonders ehrgeizig beim Ausbau zeigt sich Bosnien-Herzegowina und plant mindestens 12 große Staudämme – obwohl im Land im vergangenen Jahrzehnt kein einziges Kraftwerk neu fertiggestellt werden konnte.
Die Finanzquellen versiegen zusehends, da die Europäische Investitionsbank, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau in letzter Zeit zurückhaltender geworden sind, was Investitionen in Wasserkraft betrifft. Damit bleiben chinesische und türkische Banken sowie die US-amerikanische International Development Finance Corporation (DFC) unter den wenigen, die auf einen so risikoreichen Sektor setzen.
Aber obwohl chinesische Unternehmen in mehrere Projekte in Bosnien-Herzegowina involviert sind – darunter das Ulog-Kraftwerk an der oberen Neretva, eine Kette von drei Kraftwerken an der Bistrica und eventuell auch drei weitere Kraftwerke an der oberen Drina –, gibt es nur eine einzige bestätigte Finanzierung: Für das umstrittene 160-MW-Kraftwerk Dabar, für das im Januar dieses Jahres ein Kredit der Eximbank über 180 Mio. Euro abgeschlossen wurde.
„Der Ertrag aus Wasserkraft in der Region steigt und fällt wegen des Klimawandels wie ein Jo-Jo. In dieser Situation ist es unverantwortlich, weitere Dämme zu errichten. Das zeigt sich am deutlichsten in Ländern wie Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Montenegro, die schon heute stärker von Wasserkraft abhängen. Es ist völlig unverständlich, dass etwa Montenegro bis Ende 2021 lediglich 2,5 MW an Photovoltaikanlagen installiert hat. Was es dringend braucht, ist eine Diversifizierung der Erneuerbaren Energien und eine massive Verbesserung der Energieeffizienz“, sagt Pippa Gallop von CEE Bankwatch Network.
Amelie Huber von der Stiftung EuroNatur ergänzt: „Die Wasserkraftinvestoren werden weiterhin vom Versprechen einer Gratis-Energiequelle, die jederzeit verfügbar sei, angelockt. Tatsächlich gilt dies für die Wasserkraft aber längst nicht mehr. Zeit- und Kostenüberschreitungen sind an der Tagesordnung, besonders bei Großwasserkraftwerken, und die Wasserführung der Flüsse ist unstet geworden. Darüber hinaus müssen die sehr negativen Auswirkungen der Wasserkraft auf die biologische Vielfalt der Flusssysteme berücksichtigt werden. Auf Länder, deren Energiesysteme von Wasserkraft abhängen, kommen hohe Kosten zu, je mehr sich die Auswirkungen des Klimawandels verstärken und Dürren und Überschwemmungen häufiger werden.“
„Neben den energiebezogenen Aspekten, die gegen das Aufstauen der Balkanflüsse sprechen, steht zudem die Tatsache, dass Flüsse wie die Neretva, der Drin und weitere von unglaublichem ökologischen Wert sind. Würden Sie es wagen, die letzten verbliebenen Urwälder zu zerstören, um Pellets zu produzieren? Wir würden das Gleiche mit diesen verbliebenen unberührten Flüssen tun, wenn wir zuließen, dass sie aufgestaut werden. Glücklicherweise begreifen immer mehr Menschen den wahren Wert der Balkanflüsse und kämpfen zunehmend gegen die Staudammprojekte – und das erfolgreich“, sagt Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von Riverwatch.
Hier der Bericht zum Downloaden: