+++ Eine heute veröffentlichte Studie von CEE Bankwatch Network zeigt auf, dass multilaterale Entwicklungsbanken mindestens 82 Wasserkraftprojekte in Südosteuropa mitfinanzierten +++
Radolfzell, Wien, Prag, 14. März 2018 – Die Studie [1] zeigt, dass in Südosteuropa noch mehr Wasserkraftprojekte als bisher bekannt von multilateralen Entwicklungsbanken [2] und von Geschäftsbanken finanziert wurden.
Seit 2005 gewährten die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Weltbankgruppe Kredite und Bankgarantien in Höhe von insgesamt 727 Millionen Euro für nicht weniger als 82 Wasserkraftwerke, darunter 37 Projekte in Schutzgebieten, wie Nationalparks und Natura-2000-Gebieten oder international anerkannten Biodiversitätszentren, wie den Important Bird Areas.
Die EBRD gilt als der größte Wasserkraft-Finanzier auf der Balkan-Halbinsel. Die Bank unterstützte insgesamt 61 Kraftwerke mit 126 Mio. Euro, davon 29 in Schutzgebieten oder Biodiversitäts-Hotspots. In den letzten Jahren agierte die Bank zurückhaltender, aber auch jetzt gibt es noch Pläne zur Finanzierung der Kraftwerke Babino Selo und Neretvica Cascade an den Flüssen Vrbas, beziehungsweise Neretvica; jeweils sehr artenreiche Regionen in Bosnien-Herzegowina.
Die Studie, die einen 2015 veröffentlichten Bericht aktualisiert, stellt auch fest, dass Gelder von Geschäftsbanken eine entscheidende Rolle bei umstrittenen Wasserkraftprojekten spielen. Die Finanzierung durch kommerzielle Banken ist schwieriger nachzuvollziehen, da die Transparenz in diesem Sektor zu wünschen übrig lässt. Dennoch konnten die Studienautoren 158 auf diese Weise finanzierte Kraftwerke identifizieren, von denen 55 in Schutzgebieten oder international anerkannten Biodiversitätszentren liegen.
Die umtriebigsten Banken – soweit bekannt – sind die österreichische Erste Bank sowie die italienische Unicredit Bank, von denen jeweils 28 Finanzierungen gefunden wurden. Unter anderem hat die Erste Bank sieben Kraftwerksanlagen an der Grenze des Kopaonik-Nationalparks in Serbien finanziert. Als Folge dieser Wehre und acht weiterer Kraftwerke in dem Gebiet, die aus anderen Quellen finanziert wurden, führen die betroffenen Flüsse über weite Strecken die meiste Zeit des Jahres kaum noch Wasser.
„Die Finanziers müssen ihren Teil der Verantwortung übernehmen und die Einhaltung lokaler und internationaler Standards gewährleisten. Rücksichtslose Investitionsentscheidungen können hunderte ursprüngliche Balkanflüsse unwiederbringlich zerstören“, sagt Igor Vejnović, Hydropower Policy Officer von Bankwatch und Mitautor der Studie.
„Die EBRD und die EIB nehmen in diesem Jahr eine Revision ihrer Umwelt- und Sozialstrategie vor. Das ist eine entscheidende Chance, die Regelungen zu verbessern und Wasserkraft in sensiblen Gebieten von der Finanzierung auszuschließen“, ergänzt Pippa Gallop, Research Co-ordinator von Bankwatch und Mitautorin der Studie.
„Die Balkanflüsse sind von herausragendem Wert in Europa. Der Staudamm-Tsunami aber gefährdet die Biodiversität und die lokalen Gemeinden. Es ist inakzeptabel, dass Geschäftsbanken wie die österreichische Erste Bank und die italienische Unicredit selbst die schlimmsten Projekte unterstützen. Auf dem Papier haben sie passable Regelungen zur Finanzierung von Wasserkraft, aber in der Praxis werden diese nicht richtig umgesetzt. Viele der von ihnen finanzierten Kraftwerke würden in ihren Heimatländern keine Bewilligung erhalten. Sie müssen die Wasserkraftfinanzierung auf dem Balkan beenden“, sagt Ulrich Eichelmann von Riverwatch.
„Die gute Nachricht ist, dass mehr als 1000 geplanten Wasserkraftwerken die Finanzierung noch fehlt. Es gibt also noch viele Möglichketen, die einzigartigen Flüsse des Balkans zu retten“, sagt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.
Hintergrundinformation
- Hier die Studie und die dazugehörige Datenbank zum Download
- Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung von Bankwatch, Riverwatch und EuroNatur.
- Die Studie wurde im Rahmen der Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ in Auftrag gegeben. Ungefähr 2800 neue Staudämme sind derzeit zwischen Slowenien und Albanien in Planung. Um dieser Welle der Zerstörung entgegenzutreten, haben EuroNatur und Riverwatch zusammen mit lokalen Partnern in den jeweiligen Balkanländern die Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ ins Leben gerufen. Weitere Informationen unter http://www.balkanrivers.net
Rückfragen:
Igor Vejnović, Hydropower Policy Officer. CEE Bankwatch Network
igor.vejnovic@bankwatch.org; + 420 274 822 150
Pippa Gallop, Research Co-ordinator, CEE Bankwatch Network
pippa.gallop@bankwatch.org; +385 99 755 9787
Ulrich Eichelmann, CEO, Riverwatch
ulrich.eichelmann@riverwatch.eu; +43 676 6621512
Anja Arning, Public Relations, EuroNatur
anja.arning@euronatur.org; +49 7732 927213
Anmerkungen
[1] Das untersuchte Gebiet umfasst Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Slowenien. Die Studie untersuchte Wasserkraftwerke, die nach 2005 errichtet wurden oder aktuell in Planung sind. Sie ist eine Aktualisierung des Bankwatch-Berichts von 2015 zu diesem Thema, mit erweiterten Kapiteln über Serbien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien und die Rolle der Geschäftsbanken.
Insgesamt wurden 2112 Wasserkraftwerke ermittelt, die derzeit geplant werden oder seit 2005 in Betrieb gegangen sind. Die meisten dieser Kraftwerke befinden sich im Planungsstadium und für 1119 Projekte gibt es nach unserer Einschätzung noch keine Finanzierung. Bei 239 Projekten war die Finanzierung vereinbart und bei 20 weiteren geplant. Bei 734 Neubauprojekten konnten wir aufgrund fehlender Transparenz keine Informationen zur Finanzierung finden.
„Kraftwerk“ bezieht sich auf einzelne Wasserkraftanlagen. Ein Kredit oder eine Garantie kann mehrere Kraftwerke betreffen, vom Finanzier aber als nur ein „Projekt“ eingestuft werden.
[2] Die EBRD, die Europäische Investitionsbank und die Weltbankgruppe (in diesem Fall die Internationale Finanzkorporation und die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur).