Der Aoos-Staudamm hat den Wasserdurchlauf zum stromabwärts liegenden Flussbereich vollständig blockiert. © Joshua D. Lim
Der einst frei fließende Fluss ist durch einen fehlenden ökologischen Abfluss aus dem Aoos-Stausee auf einen schmalen Bach von gerade einmal 1,3 m Breite reduziert worden. © MedINA
Der Aoos/Vjosa oberhalb der Brücke in Konitsa © Joshua D. Lim

Der Aoos-Staudamm lässt das Leben eines der letzten wilden Flüsse Europas versiegen

21. Mai 2025. Eine neue wissenschaftliche Studie unter der Leitung von Forschern der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem Hellenischen Zentrum für Meeresforschung (HCMR) in Athen zeigt schwere ökologische Folgen eines fehlenden Mindestabflusses aus dem Staudamm an den Aoos-Quellen auf. Dieser Mangel schädigt sowohl die Biodiversität des Flusses als auch seinen natürlichen Wasserhaushalt. 

Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist ein ökologischer Abfluss nicht einfach ein minimales Wasservolumen, sondern die Menge an Wasser, die nötig ist, damit die Ökosysteme stromabwärts ihre natürlichen Eigenschaften bewahren und unerlässliche ökologische Funktionen erfüllen können. Die Bestimmungen sowohl der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EC) als auch der Habitatrichtlinie (92/43/EEC) der EU enthalten die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Sicherstellung eines angemessenen Wasserflusses, zur Erhaltung eines „guten ökologischen Zustands“ und zum Schutz festgelegter Arten und Lebensräume – von denen viele direkt von kontinuierlich fließendem Flusswasser abhängig sind. Dennoch schreibt die griechische Gesetzgebung derzeit keinen ökologischen Mindestabfluss für große Wasserkraft-Staudämme vor.

Aoos/Vjosa, einer der letzten Wildflüsse Europas, erstreckt sich über eine Länge von 260 km und fließt von seiner Quelle in Griechenland durch den Pindos-Nationalpark und dreizehn Natura-2000-Gebiete, bevor er die Grenze nach Albanien überquert, wo er den Wildfluss-Nationalpark Vjosa bildet und schließlich in die Adria mündet. Er stellt einen lebenswichtigen ökologischen Korridor dar und ein von der nationalen wie europäischen Gesetzgebung anerkanntes grenzüberschreitendes Ökosystem. Aber der Bau des Staudamms an den Aoos-Quellen im Jahr 1987, Teil eines bedeutenden Infrastrukturprojekts im Bereich Wasserkraft und eines künstlichen Stausees, stoppte den Wasserdurchlauf flussabwärts vollständig und löste damit eine Kaskade schwerwiegender ökologischer Folgen aus.

Die Studie – veröffentlicht von EuroNatur, Riverwatch und MedINA als Teil der internationalen Kampagne Save the Blue Heart of Europe – wirft ein Schlaglicht auf die dringende Notwendigkeit, einen ökologischen Abfluss aus dem Aoos-Staudamm wiederherzustellen. Zu ihren wesentlichen Erkenntnissen gehören:
•    Ohne ökologischen Abfluss aus dem Aoos-Stausee ist der einst frei fließende Fluss zu einem schmalen, nur 1,3 m breiten Bach reduziert worden. Das hat drastische hydromorphologische Veränderungen ausgelöst und das umliegende Ökosystem der Flussufer schwer geschädigt.
•    Das Fehlen eines ökologischen Abflusses hat einen drastischen Verlust an Lebensräumen verursacht und einen erheblichen Rückgang der Fischvielfalt und Fischpopulationen – insbesondere von Arten wie der Balkanforelle (Salmo farioides), die unter der EU-Habitatrichtlinie geschützt ist.
•    Diese Folgen sind in den trockenen Sommermonaten am kritischsten und erstrecken sich bis in den Pindos-Nationalpark und drei Natura-2000-Gebiete, was zu akuten Sorgen angesichts der gegenwärtig herrschenden Bedingungen in der Klimakrise Anlass gibt. 
Die Studie unterstreicht die dringende Notwendigkeit, einen ökologischen Abfluss wiederherzustellen, um die Biodiversität des Flusses zu bewahren. Sie empfiehlt die Implementierung eines ganzjährigen Minimalabflusses kombiniert mit dynamischen jahreszeitlichen Schwankungen, um die Fischfortpflanzung, den Sedimenttransport und die natürliche Flussbetterneuerung zu unterstützen.

„Der Aoos ist nicht nur ein Fluss. Er ist eine essenzielle Lebensarterie, die Ökosysteme, Gemeinschaften und kulturelles Erbe verbindet. Einen ökologischen Abfluss sicherzustellen, muss ein Eckpfeiler der öffentlichen Ordnung für eine nachhaltige Zukunft dieser Region sein,“ sagt Alexis Katsaros, Geschäftsführer von MedINA.