Massives Fischsterben auf der Neretva, ausgelöst durch die Ableitung von sauerstoffarmem Wasser aus dem Ulog-Stausee. © Hrabren Kapić, Organizacija Sportskih Ribolovaca "Konjic"
Trotz jahrelangen Widerstands ging das Wasserkraftwerk Ulog 2025 in Betrieb und verursachte erhebliche Umweltschäden © Bahrudin Bandic
Die Obere Neretva ist eines der unberührtesten Flussökosysteme des Balkans. © Bruno D’Amicis

Ökologische Katastrophe an der Neretva: Tödliches Fischsterben durch Betrieb des Wasserkraftwerks Ulog verursacht

28. November 2025 — Eine Koalition internationaler und bosnischer Wissenschaftler*innen sowie führender Umweltorganisationen legt heute Beweise vor, die das massenhafte Fischsterben am 12. September 2025 an der Oberen Neretva mit Betriebspraktiken des Wasserkraftwerks (WKW) Ulog in Verbindung bringen. Diese Ergebnisse werden heute auf einer Konferenz vorgestellt, die von dem Zeleni Klub (Grüner Klub) in der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo ausgerichtet wird.

Am 12. September 2025 wurden zahlreiche tote Fische und anderen Wasserorganismen – darunter die vom Aussterben bedrohte Weichmaulforelle, die Koppe sowie der stark gefährdete Dohlenkrebs –entlang des betroffenen Abschnitts der Oberen Neretva gefunden. Zusätzlich wurden nach Luft schnappende Fische, an Land flüchtende Krebse und ein intensiver Geruch nach faulen Eiern beobachtet – klare Hinweise auf hohe Schwefelwasserstoffkonzentrationen und massiv sauerstoffarme Bedingungen. Das kürzlich fertiggestellte WKW Ulog durchschneidet den wertvollsten und bislang unversehrten Flussabschnitt der Neretva, einen Lebensraum mit außergewöhnlich hoher Biodiversität und zahlreichen bedrohten Arten, der nun unmittelbar durch den Betrieb des Staudamms beeinträchtigt wird.

Die Betreiber des Wasserkraftwerks Ulog verfügen über keine Genehmigung für Schwallbetrieb (Hydropeaking). Dennoch ließen sie in einer Reihe von Spülvorgängen sauerstoffarmes Wasser aus dem Stausee ab, was direkt zu tödlichen Bedingungen für zahlreiche Arten führte. Wissenschaftler*innen und NGOs fordern die strikte Einhaltung der Umweltgenehmigung. Zudem muss die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) dringend überprüft und überarbeitet werden, um weitere katastrophale Schäden zu verhindern.

„Messungen, die wir am 28. September 2025 – 16 Tage nach dem Fischsterben – durchgeführt haben, bestätigten, dass die Ursache die Einleitung stark sauerstoffarmen Tiefenwassers aus dem Stausee des Kraftwerks war. Das WKW Ulog ist ein Paradebeispiel dafür, wie Wasserkraft NICHT betrieben werden sollte: Diese Folgen waren aufgrund der im Sommer zu erwartenden Schichtung des Stausees und des aktuellen Betriebsregimes vorhersehbar und stehen im klaren Widerspruch zur ökologischen Gesundheit des Flusses.“ erklärt Prof. Dr. Gabriel Singer von der Universität Innsbruck.

„Unser Ziel in diesem Fall ist es zu zeigen, dass Energieentwicklung mit Naturschutz in Einklang gebracht werden muss und Entscheidungen auf wissenschaftlichen Fakten statt auf kurzfristigen kommerziellen Interessen basieren müssen. Die Neretva ist eines der wertvollsten Ökosysteme in Südosteuropa, und ihr Schutz ist eine gemeinsame Verantwortung von uns allen“, schloss Prof. Dr. Muriz Spahić, ehemaliger Dekan der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Universität Sarajevo.

Weitere Informationen zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen finden Sie im Factsheet, in der Zusammenfassung des Untersuchungsberichts und in einem offenen Brief, unterzeichnet von 192 Wissenschaftler*innen.

Forderungen

Das WKW Ulog wird weiterhin entgegen seiner Umweltgenehmigung betrieben. Expert*innen und NGOs betonen, dass ein sicherer Betrieb ein ökologisch verantwortungsvolles Stauseemanagement voraussetzt. Wasserkraft im 21. Jahrhundert darf nicht auf Kosten wiederholter ökologischer Katastrophen betrieben werden. Die vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen umfassen:

  1. Sicherer Betrieb: Das WKW Ulog muss das Hydropeaking einstellen und strikt im Laufwasserkraftmodus gemäß seiner bestehenden Umweltgenehmigung betrieben werden. Weitere Einleitungen von tiefem, sauerstoffarmem Wasser sind zu unterlassen, und künftige Genehmigungen müssen Hydropeaking ausdrücklich verbieten, um wiederholte ökologische Schäden zu verhindern.

  2. Verbesserte Überwachung: Die Anlage muss Wasserstände, Abflussmengen, Sauerstoffkonzentration und Temperatur über das gesamte Tiefenprofil sowie flussabwärts in Echtzeit erfassen und melden.

  3. Technische Verbesserungen: Technische Lösungen sollen eine sichere Wasserqualität flussabwärts gewährleisten. Dazu gehören die Nutzung ökologischer Modelle zur Risikovorhersage, die Festlegung von Mindest-Sauerstoffwerten und ökologischen Durchflusskriterien, die Verbesserung der Sauerstoffwerte in tiefem Wasser sowie die Installation von Vorrichtung, die die Ausleitung aus unterschiedlichen Wassertiefen ermöglichen.

Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von Riverwatch / Save the Blue Heart of Europe Campaign: „Die Katastrophe im September hat nicht nur Fische getötet – sie hat das gesamte Leben in diesem Abschnitt ausgelöscht, einschließlich Wasserinsekten und Weichtieren. Wenn das Wasserkraftwerk Ulog weiterhin illegal im Schwallregime betrieben wird und nahezu täglich künstliche Hoch- und Niedrigwasser verursacht, bleibt der verheerende Schaden nicht auf den Abschnitt unterhalb des Kraftwerks beschränkt. Die Fischbestände der gesamten Neretva, bis hinunter nach Konjic, wären irreparabel gefährdet.“