Der Oberlauf der Neretva gehört zu den unberührtesten Flussökosystemen auf dem Balkan. © Robert Oroz
Neben anderen seltenen Arten findet der gefährdete Dohlenkrebs in der oberen Neretva seinen Lebensraum. Diese Art ist durch die geplanten Staudämme noch weiter bedroht. © Amel Emric
Die geplanten Kraftwerke würden den größten Teil des oberen Teils des Flusses in eine Reihe von durchgehenden Dämmen, Rohren und Reservoirs verwandeln. © Amel Emric

Beschwerde an Berner Konvention wegen Staudämmen an der Neretva in Bosnien-Herzegowina

 

++ NGOs erheben bei der Berner Konvention Beschwerde gegen Bosnien-Herzegowina wegen der Bewilligung von Dammbauten an der naturbelassenen oberen Neretva ++ Eine ähnliche Beschwerde wurde bereits im August beim Sekretariat der Energy Community eingereicht ++

Am 22. Oktober 2020 haben die Naturschutzorganisationen Center for Environment, Aarhus Center Sarajevo, Riverwatch, EuroNatur, ClientEarth und CEE Bankwatch Network eine Beschwerde gegen Bosnien-Herzegowina beim Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) eingereicht. Gegenstand ist der unterlassene Schutz der unberührten oberen Flussstrecke der Neretva vor acht geplanten Wasserkraftwerken.

Der Oberlauf der Neretva ist eines der ursprünglichsten Flussökosysteme auf der Balkan-Halbinsel. Es handelt sich um ein Wildnisgebiet mit bisher sehr geringen menschlichen Eingriffen. Daher ist es seit 2011 für das „Emerald-Netzwerk“ von Schutzgebieten nach der Berner Konvention nominiert, wird aber von einem 35-MW-Wasserkraftwerk bei Ulog sowie einer Kette von sieben kleineren Kraftwerken am Oberlauf der Neretva bedroht. Die Kraftwerke würden den etwa 30 km langen Oberlauf großteils in eine Kette von Dämmen, Rohrleitungen und Staubecken verwandeln.

Die Einreichung an die Berner Konvention folgt einer ähnlichen Beschwerde der Umweltgruppen an das Sekretariat der Energiegemeinschaft vor einigen Monaten. Darin wird auf gravierende Mängel im Umweltprüfungsverfahren dieser Projekte hingewiesen.

Die Umweltverträglichkeitsprüfungen stellten nur wenige jener Arten fest, die vermutlich im Projektgebiet vorkommen, gaben aber grünes Licht für die Kraftwerksprojekte. Obwohl das Gebiet nur wenig erforscht ist, sind Vorkommen seltener Arten bekannt, darunter Braunbär, Wolf, Fischotter, bedrohte Krebse sowie eine besondere Forellen-Unterart.

Im Mai ergriff das Center for Environment auch rechtliche Schritte gegen eine Entscheidung des Ministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Ökologie der Republika Srpska, wonach die erste Phase des Staudammketten-Projekts am Oberlauf der Neretva keine Umweltverträglichkeitsprüfung benötige. Diese Entscheidung fiel entgegen der Stellungnahme des Instituts für die Erhaltung des kulturhistorischen und des natürlichen Erbes der Republika Srpska, das die Kraftwerksplanungen aufgrund der negativen Auswirkungen auf seltene, endemische und reliktäre Arten ablehnte.

"Der Oberlauf der Neretva ist ein naturbelassenes Juwel auf dem Balkan. Mit den umliegenden unberührten Wäldern bildet der Fluss ein Wildnisgebiet das in Europa seinesgleichen sucht. Die Staudammprojekte würden nicht nur dieses Ökosystem zerstören, sondern Bosnien-Herzegowina würde auch gegen ratifizierte internationale Abkommen verstoßen. Deshalb reichen wir diese Beschwerden ein", sagt Ulrich Eichelmann, Koordinator der Kampagne Rettet das Blaue Herz Europas bei Riverwatch.

„Die bisherigen Untersuchungen haben bestätigt, dass das Quellgebiet und der Oberlauf der Neretva ein außergewöhnlich gut erhaltenes Ökosystem darstellen. Die Wasserkraftprojekte müssen gestoppt werden, da sie das sensible Ökosystem massiv beschädigen", fügt Jelena Ivanic vom Center for Environment hinzu.

 

Hintergrundinformationen:

  • Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung von Riverwatch, EuroNatur, Center for Environment, Aarhus Center Sarajevo und CEE Bankwatch Network
  • Das 35-MW-Wasserkraftwerk Ulog der EFT-Gruppe mit einem 53 Meter hohen Damm und einem 2,7 km langen Ableitungstunnel ist das am weitesten stromabwärts geplante Kraftwerk. Derzeit sind vorbereitende Arbeiten mit der chinesischen Sinhydro als Generalunternehmer im Gange. Der erste Baubeginn für dieses Kraftwerk war bereits 2013, doch im Juli desselben Jahres führten zwei tödliche Unfälle zum Abbruch der Arbeiten. Am 4. Juli starb ein Arbeiter des Unternehmens Prijedorputevi bei der Errichtung einer Zufahrtsstraße durch Steinschlag. Nur vier Tage später verlor ein Arbeiter desselben Unternehmens sein Leben in einem Bergsturz und ein weiterer Arbeiter musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Danach wurde die Arbeiten stillgelegt, um weitere Untersuchungen durchzuführen. Im Jahr 2017 wurde das Projekt umgeplant und etwas weiter flussabwärts verlegt.
  • Die sieben Wasserkraftwerke an der oberen Neretva werden von Marvel d.o.o. flussaufwärts der Stadt Ulog geplant und sollen eine Kapazität von insgesamt 15,1 MW haben. Im Kontrast zu dieser geringen Kraftwerksleistung stehen die Eingriffe. Einer der Dämme – Uloški Buk – soll gar zwischen 41 und 56 Meter hoch werden (die Umweltverträglichkeitserklärung ist hier unklar).
  • Die Kampagne Rettet das Blaue Herz Europas will die wertvollsten Flüsse des Balkans vor einem Damm-Tsunami von etwa 3.000 Kraftwerksprojekten retten. Die Kampagne wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und zusammen mit Partnerorganisationen aus den Ländern der Balkanregion durchgeführt. Die Partner in Bosnien-Herzegowina sind Center for Environment und Aarhus Center Sarajevo.

 

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