Das Hochwasser – Der Ausbau unserer Flüsse mitverantwortlich für Katastrophe

Mehr Platz für Flüsse gefordert

Starke Regenfälle wie in den vergangenen Tagen sind die Folge eines außergewöhnlichen Wetters. Doch das Ausmaß der Hochwässer ist auch hausgemacht. Abgesehen von Klimaveränderungen liegt der Hauptgrund dafür im Verbau unserer Fließgewässer. Unseren Flüssen und Bächen wurden die natürlichen Überschwemmungsflächen genommen. Allein seit 1950 hat man in Österreich 30.000 Kilometer Fließgewässer kanalisiert und eingestaut und dabei mehr als 400.000 Hektar ihrer natürlichem Überflutungsflächen (Auen) abgedämmt. Das entspricht fast der doppelten Größe Vorarlbergs oder mehr als die Fläche des Burgenlandes. Nun fehlen dem Wasser diese natürlichen Überflutungsräume - das ganze Wasser muss durch immer schmälere Flusskorridore hindurch. Die Wassermassen können sich also nicht mehr ausbreiten, sondern müssen „in die Höhe“ ausweichen. Eine weitere Folge des Ausbaus ist, dass die Hochwässer immer schneller kommen. Die Hochwasserwelle der Donau ist heute dreimal so schnell wie vor dem Bau der Staudämme.  In Deutschland und anderen Ländern ist die Situation übrigens ähnlich.
Die Lösung des Problems liegt deshalb auch nicht im Bau neuer Dämme und Deiche, sondern in der Renaturierung der Flüsse. Außerhalb bebauter Gebiete muss den Flüssen wieder soviel Platz wie möglich zurückgeben werden. „Österreich muss jetzt endlich die Renaturierung der Flüsse vorantreiben. Ein Hochwasserschutz ist nur mit der Natur nachhaltig möglich. Ein weiterer Verbau wird nur zu noch größeren Hochwässern führen“, so Ulrich Eichelmann von Riverwatch. Dass dies möglich ist, zeigen erste zaghafte Rückbauprojekte in Österreich, v.a. aber auch Beispiele aus Frankreich.

Mehr Platz für Flüsse. Vorbild Loire/Frankreich: statt Staudämme zu bauen, wurde der Loire mehr Platz gegeben.
Quelle: www.nevers-tourisme.com

Hochwässer hat es immer schon gegeben. Sie sind natürliche Ereignisse, die für die Natur sogar notwendig sind. Dadurch „reinigen“ sich die Flüsse, es entstehen neue Lebensräume wie Kiesinseln, Steilwände etc. Werden die Auen überflutet, vermehren sich z.B. Fischarten wie Karpfen und Hechte in enormen Mengen. Auen sind aber auch als Überschwemmungsflächen so etwas wie natürliche  Hochwasserrückhaltebereiche, die die Wassermassen aufhehmen und die Hochwasserwelle verlangsamen. Ursprünglich hatten fast alle unserer Fließgewässer derartige Auenbereiche. Doch nach dem 2. Weltkrieg wollte man in Österreich ein 10. Bundesland schaffen und zwar indem man den Flüssen den Platz wegnahm. Das war erfolgreich: seit 1950 wurden mehr als 400.000 Hektar Überschwemmungsflächen von den Flüssen abgedämmt. Zum Vergleich: Die Fläche des Burgenlandes: 396.000 Hektar, Fläche Vorarlberg: 260.000 Hektar.

Daten & Fakten

Zwischen 1950 und 2000 wurden in Österreich

  • 400.000 Hektar natürliche Überschwemmungsflächen von Fließgewässer abgedämmt
  • 260.000 Hektar Feuchtgebiete entwässert
  • 30.000 Kilometer Flüsse begradigt und kanalisiert
  • An der Donau gingen durch Begradigung und den Bau von Staudämmen 92 % der Überflutungsflächen verloren.
  • Dadurch hat sich die Geschwindigkeit der Hochwasserwelle der Donau fast verdreifacht: brauchte 1954 die Hochwasserwelle von Ybbs nach Wien noch 54 Stunden, so braucht sie heute für dieselbe Strecke weniger als 19 Stunden.

Es geht auch anders

Vorbild für einen anderen Hochwasserschutz könnte Frankreich sein. Um das Hochwasser der Loire zu kontrollieren, wollte die französische Regierung hier in den 1990er Jahren 7 große Staudämme bauen. Doch Demonstranten verhinderten  – ähnlich wie in Hainburg – den Bau der Dämme. Die Baustelle des ersten Staudammprojektes in Serre de la Fare an der Loire wurde 5 Jahre lang besetzt. Schließlich lenkte die französische Regierung ein und verzichtete auf den Bau der Dämme.

Statt  neue Staudämme zu bauen, wurden 4 bestehende Dämme abgerissen, um der Loire und seinen Zuflüssen mehr Platz zu geben. Zudem wurden einige Industrieanlagen, die zu nah an der Loire gebaut worden waren, abgesiedelt. Seitdem sind kaum neue Schäden durch Hochwasser bekannt geworden und die Loire ist einer der schönsten und ökologisch wertvollsten Flüssen Europas. Ein Vorzeigeprojekt für Naturschutz und Wasserbau.

 Hochwassergefahr durch Flussverbauung weltweit

Nicht nur in Österreich steigt die Gefahr von Hochwässer durch den Verbau der Flüsse. Eine Studie von 2009 ergab, dass weltweit 500 Millionen Menschen in Zukunft von Hochwasser betroffen sein werden, weil die Deltas dieser Welt immer weiter schrumpfen. Deltas, wie etwa das Mississippi Delta vor New Orleans sind natürliche Hochwasserbarrieren gegen Sturmfluten. Sie werden durch die Sedimente der Flüsse aufgebaut. Doch genau diese Sedimente (Sand und Kies) werden in den Staudämmen zurückgehalten. Die Folge ist, dass die Deltas schrumpfen und die Sturmfluten immer weiter ins Inland vordringen und immer mehr Menschen gefährden. Das Mississippi Delta vor New Orleans etwa schrumpft pro Jahr um 6 .200 Hektar, weil der Fluss begradigt und eingestaut ist. New Orleans zahlte 2005 auch dafür einen hohen Preis.

http://www.nature.com/ngeo/journal/v2/n10/abs/ngeo629.html

http://www.worldwatch.org/node/6267